Anfang 2014 konnte ich diese traumhaft erhaltene 1957er MZ ES 250 in meine Obhut nehmen. Die Maschine zeigt sich im unrestaurierten Originalzustand. Für ihre 20.000km hat sie einen beinahe unglaublichen Erhaltungsgrad.
Mit dabei ist ein vom MZ-Werk ausgestellter DDR-Fahrzeugbrief vom 12.7.1957 – sicher einer der ältesten erhaltenen DDR Fahrzeugbriefe.
Es handet sich um ein Übergangsmodell, das noch so gut wie alle frühen Merkmale wie den geschwungenen Kotflügel, Luftfilter im Ansaugkasten, Aufbockgriff, alten Motorblock usw. aufweist.
Der KFZ-Brief, die HO-Rechnung, das Durchprüfungsheft, Steuerkarte, das letzte DDR-Kennzeichen und das Verbandzeug sind vorhanden.
Die Maschine wird aufgrund ihrer Besonderheit und des außergewöhnlichen Zustands nicht gefahren und steht konserviert in der Ausstellung.
Familienausflug zum Herbstfest des Islandpferdegestüts in Birkholz. Wir haben bestes Spätsommerwetter.
Auf dem Fest spricht mich ein Herr aus dem Ort an. Wir kennen uns bereits. Ich habe schonmal ein paar MZ-Teile von ihm bekommen. Nun hat er eine MZ ES bekommen und erzählt davon.
Am Vortag war Teilemarkt und dort wollte er einen Dichtsatz für den Motor kaufen. Der Händler sagt ihm, dass dieser jedoch beim Baujahr seiner ES nicht passen könnte. Spätestens jetzt wird es sehr interessant.
Wir schauen uns das Motorrad an. Die Garage wird geöffnet. Darin stehen mehrere Fahrzeuge und unter einer Decke schaut das Heck einer grünen ES heraus. Ich denke zuerst: „Schade, doch schon neu lackiert.“. Der Besitzer nimmt die Decke weg und ich stehe mit offenem Mund da! Unberührter Originalzustand und wirklich traumhaft erhalten.
Dazu erkenne ich schnell, dass hier noch so gut wie alle frühen Details zu sehen sind:
- Aufbockgriff zwischen den Sitzen
- Ur-Motor
- Geschwungenen Kotflügel vorn
- Luftfilter im Ansaugkasten
- Ur-Stoßdämpfer
- Ur-Tacho
- Sitze
- Lampenzierstreifen mit 4 Befestigungen
- Schellenarmaturen
Ein Blick auf Motor- und Fahrgestellnummer offenbaren, dass es sich um die 261. gebaute Einport ES handelt – also eine ganz frühe.
Die Maschine ist eine Art „Missing Link“ zwischen der Doppelport und der Einport-ES in ihrer mehr oder weniger endgültigen Form.
Prinzipiell könnte ich diese ES kaufen aber es gibt nachvollziehbare Gründe, warum dies jetzt noch nicht geht. Ich soll bis zum neuen Jahr warten.
Die kommenden Tage sind schwer. Ich weiss nicht, ob das Motorrad vielleicht doch einer Restaurierung zum Opfer fällt. Irgendwann sehe ich ein, dass ich nicht mehr tun kann als warten …
Auf meinen Touren fahre oft mit dem Rad an der Garage vorbei überlege jedes Mal, ob die ES wohl noch dort unter der Decke steht.
Nach 4 Monaten geduldigen Wartens konnte ich heute diese traumhafte ganz frühe Einport ES in meine Obhut nehmen.
Der Zustand ist traumhaft, wenn es auch an dieser Maschine ein paar nicht originale Teile bzw. Fehlteile gibt:
- Stoßdämpfer vorn inklusive obere Schrauben
- Kerzenstecker
- Luftpumpe
- Sicherungsscheiben der Muttern für den Soziusgriff
- Unterbrecher
Der Rest passt. An der Tankunterseite, am Batteriespannband und am Ansaugkasten wurde schonmal mit grüner Farbe nachgemalt. Vielleicht eine übergekochte Batterie.
Der hintere Sitz ist verschlossen und der passende Schlüssel fehlt. Es hatte bereits jemand begonnen, den Scharnierstift am Rücksitz heraus zu treiben. Ich habe dies beendet und konnte den Sitz öffnen. Drin liegt das Verbandszeug – sehr schön.
Der Sitz geht zum Schlüsseldienst und die können das Schloß sicher einfach öffnen. Ausbohren fand ich bei der letzten Aktion relativ schwierig.
Die Chromteile habe ich etwas geputzt und dann ein paar Fotos im Freien gemacht. Die Maschine hat immerhin gute 20.000 auf der Uhr und der vordere Sitz hat starke Risse. Was passendes habe ich tatsächlich im Regal gefunden.
Heute werden noch die Kaufformalitäten erledigt und ich bekomme den Ordner mit den Dokumenten zu der ES:
- KFZ-Brief und zwar der originale Erstbrief vom 12.7.1957. Es handelt sich bereits um einen vom Motorradwerk Zschopau augestellten Brief. Damit ist es sicher einer der frühesten Werksbriefe. KFZ-Briefe älterer Fahrzeuge (z.B. der meines 56er Gespanns) wurden nachträglich durch die Volkspolizei ausgestellt (in der Regel erst 1958). Der Grund dafür ist, dass die grünen Briefe erst im Laufe des Jahres 1957 eingeführt wurden.
- Garantie- und Durchprüfungsheft
- HO Rechnung vom 22.7.1957
- Steuerkarte
- MZ Werbeprospekt
- Außerdem liegt auch noch das letzte Kennzeichen dabei.
Den Rücksitz habe ich bei 2 Schlüsseldiensten auf den Tisch gepackt. Leider haben auch die es nicht zerstörungsfrei öffnen können. Ich habe es dann Ausbohren lassen.
Selber wollte ich da nicht unbedingt ran, da ich bei der letzten derartigen Aktion graue Haare bekommen habe. Die Schlösser sind relativ robust.
Ich recherchiere zum Thema Einführung der KFZ-Briefe in der DDR. Da einiges zusammen gekommen ist, habe ich dafür einen extra Beitrag erstellt:
Einführung der KFZ Briefe 1957
Ein MZ-Freund entdeckt an der hinteren Schwinge ein angeschweisstes Stück, welches mir noch gar nicht aufgefallen ist. Sieht orginal aus, auch wenn mir der Zweck völlig unklar ist. Von einem anderen Doppelport-Kenner erhalte ich die Bestätigung, dass es noch mindestens eine weitere Maschine mit diesem Extra an der Schwinge gibt. Dürfte also original sein.
Ein paar Tage später tritt dieses Merkmal auch noch an einer frühen ES 175 zu Tage. Der Besitzer weiss auch, was es mit dieser Gewindebuchse auf sich hat: die allerersten ES-Maschinen hatten hinten eine Bremsankerplatte baugleich der vorderen. Zur Verdrehsicherung wurde ein spezielles Teil auf die Passung der Platte gesetzt und an der Schwinge verschraubt.
Erkennbar ist dies auf einem Bild aus der Betriebsanleitung der ES 175.
Allerdings ist mit Sicherheit keine der drei Maschinen mit dieser Bremse ausgeliefert worden. Warum bei MZ noch bis ins Jahr 1957 teilweise Schwingen mit der entsprechenden Buchse verbaut wurden ist unklar.
Der alte Sprit kommt raus und der Tank wird gereinigt. Benzinhahn und Vergaser ebenfalls. Am Vergaser entdecke ich die eingeschlagene Nummer „7423“ und auch noch eine „57“. Die „7423“ liegt etwas über der Motornummer, d.h. dies könnte durchaus eine fortlaufende Nummer des Vergasers sein.
Ich entdecke noch folgene Markierungen:
- Hupe: 12/56
- Zündspule 5/57
Nach Einbau einer Batterie kommt auch ein Zündfunke. Ich baue alles wieder zusammen und fülle etwas Gemisch in den Tank. Nach etwas Widerstand läuft der Motor!
Meine Frau holt die Kamera und wir spielen einen kurzen Film ein:
Link zu Youtube (Sie wechseln zu Youtube, USA!)
Wie im Film zu hören ist, tourt der Motor nicht sauber ab. Ich habe den Vergaser nochmal ganz zu und fett gestellt aber es bleibt dabei. Ich werde nochmal einen anderen Vergaser versuchen und wenn das nichts ändert, muss der Motor wohl geöffnet werden.
Die vorderen Dämpfer wurden irgendwann gegen neuere ausgewechselt. In Anbetracht des sonstigen Zustands dieser Maschine möchte ich dies zurückbauen. Heute stelle ich fest, dass ich neben den Dämpfern selbst auch die beiden unteren Bolzen benötigte, da die verbauten zu dünn sind.
Es handelt sich dabei um etwas ungewöhnliche Bolzen mit dem Gewinde M12x1,5. Üblich bei 12mm ist eine 1,75er Steigung. Die Bolzen müssen eine Länge von 40mm haben.
Optimal wären welche, die genau wie die hinteren aussehen: glatter Kopf mit Aufschrift „8G C“.
Ich tausche den Gummibezug des vorderen Sitzes, da dieser an beiden
Seiten stark aufgerissen ist. Etwas passendes habe ich vor einigen
Jahren auf dem Teilemarkt mitgenommen.
Sitze und Gummis wurden bis 1958 verändert, so dass es nicht so einfach gewesen wäre, jetzt etwas passendes zu bekommen.
Sowohl Bezug als auch das Schaumgummikissen sind 8/56 hergestellt worden. Herstellerstempel von ELGUWA.
Der Ersatzbezug ist von 11/56.
Die Post bringt ein Batteriegehäuse mit Gel Batterie. Es ist die Hartgummiversion aus Altbestand. Dazu bekomme ich noch 2 alte Aufkleber so wie sie früher auf den Batterien drauf waren.
Gestern hatte ich nach gut 2 Monaten endlich den originalen Batteriedeckel aus dem Heuhaufen geborgen. Diesen hatten meine Kinder zwei Tage nach Erwerb der Maschine darin versteckt.
Natürlich kommt der richtige Deckel auf die Batterie. Das Spannband wartet auch seit Januar in der Kiste und der Aufkleber rundet das perfekt ab. Der andere kommt bei Gelegenheit auf das Akkugehäuse des Doppelport Gespanns.
Auf dem Bild kann man sehen, dass im Fach neben der Batterie noch die Löcher für das Typenschild gebohrt sind. Bei den 56er ESsen war is dort montiert. Anfang 1957 kam es dann an die Stelle zwischen den Sitzen wo es bis 1967 blieb.
Zum 3. Doppelporttreffen am vergangenen Wochenende habe ich einen originalen Benzinschlauch zur Verbindung der Tankkammer bekommen. Dieser wurde heute montiert und ist auch noch nicht.
Erkennbar sind diese Schläuche an den Metallkappen an den Enden. Es sind diese absoluten Kleinigkeiten, mit denen ich dieses Motorrad noch vervollständigen kann.
Leider läuft der Motor nicht mehr richtig. Ich kontrolliere heute noch einmal Spritzufuhr, Vergaser und Zündung – alles top. Der Motor läßt sich nur durch totales Überfetten per Tipper starten und läuft dann unruhig. Ich vermute, dass die Kurbelwellendichtringe fällig sind.
Komischerweise lief die Maschine vor ca. 1 Monat ganz gut und ich bin eine 7-Kilometer-Runde zum Vorbesitzer gefahren. Er war leider nicht zu Hause und ich wollte da eigentlich nochmal hin.
Ich habe Tank, Benzinhahn und Vergaser entleert. Am Vergaser habe ich wieder alle ursprünglichen Teile zurück gebaut.
Bei Gelegenheit werde ich noch den hinteren Schlauch flicken, da das Rad schnell die Luft verliert.
Das soll es dann erstmal gewesen sein. Ich werde diese ES mittelfristig nicht weiter anfassen. Auch zur Reinigung wird nichts weiter zerlegt.
Im Moment schätze ich es so ein, dass Komplettheit, Zustand und Seltenheit des Fahrzeuges diese Verfahrensweise nahelegen.